Ohne Worte

Ohne Worte

Zauberhafte Spielmomente inspiriert von den «Liedern ohne Worte» und anderen Kompositionen der Geschwister Fanny und Felix Mendelssohn Bartholdy öffnen die Tür zur Geschichte, die das 19. Jahrhundert mit unserer Gegenwart im 21. Jahrhundert verbindet. Das gemeinsame Erlebnis weckt Freude und Interesse am Unbekannten.

Die vier Akkorde der Ouvertüre «Sommernachtstraum» von Felix Mendelssohn Bartholdy eröffnen das Programm Ohne Worte und entführen die kleinen und grossen Zuhörer*innen in eine faszinierende, bewegende Welt, wo Fiktion und Wahrheit über die Bühne tanzen. Fanny und Felix stehen fast 200 Jahre später gemeinsam auf der Bühne. Es erklingen ihre Originalkompositionen, die ohne Berührungsängste allmählich in Kinderlieder, Gitarren-Harfenduos oder Tanzstücke umgewandelt werden. Der historische Hintergrund schwingt als Subtext mit, wobei Fanny ganz im Zeichen unserer Zeit sich emanzipiert, profiliert, und durchaus auch kokett auftritt. Ihr Bruder Felix unterstützt und geniesst dieses bunte Treiben. So entsteht ein klingendes, energievolles Musikstück, dem es weder an Tiefe noch an Ausgelassenheit fehlt. Jetzt und hier, damals wie heute, und die Geschichte der Geschwister Mendelssohn Bartholdy erwacht zu neuem Leben.

Ohne Worte von FannyFelix ist eine Mischung von Performance und Konzert und kommt ohne gesprochenen Text aus. Im Zentrum steht die nonverbale Kommunikation durch Musik, Gestik, Mimik und Bewegung. Ohne Worte kann seine Wirkung in verschiedenen Sprachregionen entfalten, bei Kindern und Erwachsenen. 

175. Todestag Fanny Hensel – Mendelssohn

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Geschwister Fanny & Felix

Fanny Hensel Mendelssohn (*1805 – 1847) und Felix (*1809 – 1847) Mendelssohn Bartholdy wuchsen mit zwei weiteren Geschwistern unter privilegierten Bedingungen in Hamburg auf. Ihr Umfeld war geprägt von finanziellem Wohlstand, bürgerlichen Idealen, familiärer Traditionspflege, Bildungsstreben und weitgespannter Vernetzung der Familie mit der künstlerischen und wissenschaftlichen Welt. Alle Geschwister wurden nach humanistischem Vorbild erzogen und gefördert. Dazu zählte eine ausgewogene, vielseitige Ausbildung von Geist und Körper.

Obwohl Fannys musikalisches Talent jenem ihres Bruders ebenbürtig war, setzte ihr als Frau die damalige bürgerliche Gesellschaft enge Grenzen. Nichtsdestotrotz verband Fanny und Felix ein inniges Band und sie pflegten einen intensiven persönlichen und musikalischen Austausch. Von seiner Schwester fühlte Felix sich musikalisch unmittelbar verstanden. Sie war seine strengste Kritikerin. Oft spielte Felix seine Stücke vierhändig mit Fanny, bevor er sie veröffentlichte. Einige Kompositionen seiner Schwester hat Felix unter seinem Namen veröffentlicht.

1847 verstarben beide Geschwister jung. Obwohl die Familie Mendelssohn zum Christentum konvertiert war, wurde das Werk von Felix Mendelssohn und anderer Komponisten jüdischer Herkunft bereits 1850 von Richard Wagners Schmähschrift «Das Judentum in der Musik» rassistisch denunziert. In der Zeit der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft wurden Aufführungen von Mendelssohns Werke verboten, Bücher über ihn und seine Familie verbrannt, die Statuen zu Ehren von Mendelssohn zerstört und die Bücher zur Musikgeschichte gefälscht.

Fanny Hensel, Geb. Mendelssohn Bartholdy

Im Gegensatz zu ihrem Bruder Felix, konnte sich die ebenso talentierte Fanny Hensel Mendelssohn als Künstlerin nicht entfalten. Obwohl sie zeitlebens komponierte, dirigierte, Klavier spielte und Sonntagsmusiken organisierte, wurde sie daran gehindert, ihre Kreativität wirklich auszuleben.

Ihr Vater bestand darauf, dass die Musik für Fanny ein charmantes Hobby bleibe.

«Die Musik wird für ihn (gemeint Felix) vielleicht Beruf, während sie für Dich stets nur Zierde, niemals Grundbass Deines Seins und Tuns werden kann und soll; ihm ist daher Ehrgeiz, Begierde, sich geltend zu machen in einer Angelegenheit, die ihm sehr wichtig vorkommt, weil er sich dazu berufen fühlt, eher nachzusehen, während es Dich nicht weniger ehrt, dass Du ihn Dir an seiner Stelle auch würdest verdienen könne. Beharre in dieser Gesinnung und in diesem Betragen, sie sind weiblich, und nur das Weibliche ziert die Frauen.» (1; S.24)

Kurz vor Fannys Hochzeit mit dem Maler und Porträtisten Wilhelm Hensel ermahnte der Vater sie noch einmal. «Du musst dich mehr zusammennehmen, mehr sammeln, du musst Dich ernster und emsiger zu Deinem eigentlichen Beruf, zum einzigen Beruf eines Mädchens, zur Hausfrau bilden.»  (1; S.24)

Fanny hatte nicht die Kraft und vielleicht fehlte ihr auch der Mut, um sich gegen den Vater und die Familie zu entscheiden, wie das zehn Jahre später Clara Schumann tun wird. Trotzdem sind heute gegen 500 Kompositionen von Fanny Hensel Mendelssohn veröffentlicht, wovon die Lieder und die Klavierwerke der zentrale Schaffensbereich war. Da in den Augen des Vaters ernsthafte Arbeit, Überlegung und Beharrlichkeit nicht zum Geschlecht einer Frau passen, wurde Fanny vor allem beim Komponieren von Liedern und kleinen Formen unterstützt. Fanny nahm, die von ihr erwartete Rolle im Familienkreis weitgehend konfliktfrei an. Ihr Schicksal ist daher wenig geeignet, heutigen Mädchen und Frauen als Vorbild zu dienen.

Felix Mendelssohn Bartholdy

Felix galt als Mozart des 19. Jahrhunderts. Er arbeitete als Komponist, Dirigent, Pianist. Sein ausserordentliches Improvisationstalent war legendär. Es war ein couragierter Dirigent, seine Interpretationen waren nicht textgetreu, sondern wirkungsgetreu.  

Felix war ein ausgesprochen poetisch veranlagter Komponist. Aussermusikalische Impulse beeinflussten seine Werke.  An seinen Kompositionen arbeitete er lange und selbstkritisch, bevor er sie – wenn überhaupt – zum Druck freigab. Der Vater Abraham Mendelssohn Bartholdy war für Felix eine wichtige, jedoch auch autoritäre Bezugsperson.

Mendelssohn wurde schon zu seiner Zeit europaweit als führende Musikerpersönlichkeit anerkannt und wurde mit Ehrungen überschüttet. Er leitete verschiedene Musikfeste in Deutschland und England und avancierte zu einem gefragten und beliebten Dirigenten seiner Zeit.

 Felix war ein hervorragender Landschaftszeichner. Auf seinen Reisen hatte er stets Zeichenutensilien dabei, damit er besondere landschaftliche Eindrücke und Sehenswürdigkeiten festhalten konnte. Besonders die Landschaften der Schweiz beeindruckten ihn. «Musik gemacht habe ich in der ganzen Schweiz kein bisschen, aber gezeichnet den ganzen Tag, bis mir die Finger und Augen wehtaten.» (1; S. 18)

Sommernachtstraum Ouvertüre Opus 21

Zu Recht gilt die Ouvertüre op. 21 zum «Sommernachtstraum», die Felix Mendelssohn Bartholdy mit erst siebzehn Jahren komponierte als Geniewurf. Zunächst komponierte Felix die Ouvertüre für Klavier zu vier Händen, welche er oft mit Fanny spielte. Wenig später erklang die Orchesterfassung im Rahmen einer Sonntagsmusik. Erst später instrumentierte er das Werk für Orchester. 1826 fand die erste öffentliche Aufführung statt. Mit der Ouvertüre prägte er den eigenständigen Typus der aussermusikalischen inspirierten, poetischen Konzertouvertüre, die ein selbstständiges Werk bildet und nicht mehr als Einleitung gedacht war (1). Das ganze Stück beginnt mit vier Akkorden, welche die ZuhörerInnen die fremde, zauberhafte und magische Welt eröffnen. In dieser Welt schwirren die Elfen, sprüht die Magie der Liebe, treibt der verspielte Kobold Puck sein Unwesen, schreit ein Esel und tanzen die Handwerker ihren rüpelhaften Tanz.

Erst siebzehn Jahr später, als die Ouvertüre bereits weltweit bekannt war, reichte Felix die komplette Schauspielmusik op.61 zu Shakespeares Theaterstück «Der Sommernachtstraum» nach, wobei er die musikalischen Motive der Ouvertüre weiterverarbeitete.

 

Lieder ohne Worte (Opus 19, 85, 102)

«Es wird so viel über Musik gesprochen und so wenig gesagt. Ich glaube überhaupt, die Worte reichen nicht hin dazu, und fände ich, dass sie hinreichten, so würden ich am Ende gar keine Musik mehr machen (…) Das, was mir die Musik ausspricht, die ich liebe, sind mir nicht zu unbestimmte Gedanken, um sie in Worte zu fassen, sondern zu bestimmte.» (1; S.57)

Felix Mendelssohn Bartholdy gilt als Schöpfer des Genres «Lieder ohne Worte», ein lyrisches, miniaturhaftes Klavierstück, in dem die melodische Komponente von tragender Bedeutung ist. Wenn es darum ging Gefühle zu übermitteln, bevorzugte Felix die Musik als Kommunikation. So konnte ein «Lied ohne Wort» einen Brief ersetzen.

 «… und habe ich bei dem einen oder dem andern ein bestimmtes Wort oder bestimmte Worte im Sinne gehabt, so kann ich die doch keinem Menschen aussprechen, weil dem einen da Wort nicht heisst, was es dem andern hiesst, weil nur das Lied dem einen dasselbe sagen, dasselbe Gefühlt in ihm erwecken kann, wie im andern, – ein Gefühl, das sich aber nicht durch dieselben Worts ausspricht.» (1; S. 333)

 Merkwürdigerweise distanzierte Felix sich gegen aussen von den «Liedern ohne Worte», vielleicht weil er sie für zu privat und intim empfand und sie für ihn den Charakter von Gelegenheitskompositionen hatten. Allerdings verraten die Intensität der Überarbeitung und die Sorgfalt, mit der er die einzelnen Hefte zusammenstellte, seine tiefe Wertschätzung der Gattung.

Opus 19 gilt als erstes «Lied ohne Worte». Ursprünglich waren die «Lieder ohne Worte» nicht als Konzertstücke geschrieben worden, vielmehr waren sie als persönliches, musikalisches Geschenk an nahestehende Personen gedacht. Ein solcher Austausch pflegten Fanny und Felix bereits in ihrer Kindheit und Jugend.

«Das Umtextieren bekannter Melodien bezeichnet Fanny Hensel später in einem Brief an den Bruder als Teil gemeinsam, betriebenen Kinderspiele. Der spielerische Versuch, Klaviermusik Texte zu unterlegen und die musikalische Sprache des anderen in die persönliche Wortsprache zu übersetzen bzw. die «verschlüsselte Botschaften» darin zu erraten, ist vermutlich Teil der Entstehungsgeschichte der Lieder ohne Worte.» (2; S.140)

 

Januar «Ein Traum» 1841 Fanny Hensel, geb. Mendelssohn Bartholdy

1839 verweilte Fanny ein halbes Jahr mit ihrer Familie in der inspirierenden Stadt Rom in der Villa Medici, wo sie sich, befreit von den Zwängen ihrer Familie, sich als bewunderter Mittelpunkt eines Kreises von Malern und Musikern sonnen durfte. Dort entstand die Idee der Komposition des Klavierzyklus «Das Jahr – 12 Charakterstücke». Zwei Jahre später, 1841 vollendete Fanny ihre Komposition. Die Reinschrift wird ein Prachtexemplar. Jede Monatsminiatur ist auf andersfarbigen, passend zur Stimmung der Jahreszeit gewähltem Papier. Ein kurzes von Fanny oder Wilhelm verfasstes Gedicht wird den Kompositionen vorangestellt. Die Titelblätter sind mit Zeichnungen von Wilhelm Hensel ausgeschmückt. Musik, Farbe, Zeichnung und Gedichte bilden so ein multimediales Gesamtwerk. (3) Noch zu Lebzeiten wurde ein Auszug davon veröffentlicht.

Fanny resümierte die Arbeit an diesen tiefgründigen Liedern mit Worten, in denen immer noch das Echo ihres Vaters herauszuhören ist. «So suchen wir uns das Leben zu zieren und zu verschönern, das ist der Vorzug der Künstler, das solche Verschönerungen rings umher sich streuen und alle die daran Antheil nehmen lassen können, die irgend Ihnen nahe stehen.» (3)

Wanderlied Fanny Hensel, geb. Mendelssohn Bartholdy

Das Lied in seiner Natürlichkeit und Leichtigkeit entspricht der Weiblichkeit, so die Auffassung des Vaters Abraham Mendelssohn Bartholdy. Aus diesem Grunde wurde Fanny zum Liedkomponieren angehalten, während ihr von ernsthafter Musik, wie Fugen, Kammermusikstücken oder sogar Opern abgeraten wurde. Im Genre «Lied» war Fanny ihrem Bruder wohl sogar überlegen. Felix schätze ihre Liedkompositionen und ermutigte seine Schwester darin. Sie komponierte um die 250 Lieder.

Fannys Lieder gingen anstelle ihrer selbst auf Reisen. Während ihr Bruder und ihr zukünftiger Ehemann ausgedehnte Reisen und längere Auslandaufenthalte machen durften, musste sie zuhause bleiben. Diese Zwiespältigkeit zwischen der Identifikation mit dem deutlich jüngeren Bruder einerseits und der Rückbesinnung auf das eigene, zurückbleibende Ich andererseits ist vor allem in ihren Wanderliedern spürbar. (2)

 

 

Quellenverzeichnis

  1. Eichhorn, A. Felix Mendelssohn Bartholdy. C. H. Beck. 2008
  2. Bartsch, C. Fanny Hensel geb. Mendelssohn Bartholdy. Musik als Korrespondenz. Furore. 2007
  3. http://www.cavallerotti.de/assets/texte/projekte/fanny/fanny_das_jahr.pdf